Maroniküsse : Roman

Tappeiner, Marie, 2014
BUCH UND SPIEL
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Medienart Buch
ISBN 978-3-426-51398-9
Verfasser Tappeiner, Marie Wikipedia
Systematik DR - Romane, Erzählungen und Novellen
Verlag Knaur Taschenbuch-Verl.
Ort München
Jahr 2014
Umfang 330 S.
Altersbeschränkung keine
Auflage Orig.-Ausg., 1. Aufl.
Reihe Knaur
Sprache deutsch
Verfasserangabe Marie Tappeiner
Annotation Quelle: Pool Feuilleton;
Gerade weil Literatur zwecklos sein soll, zeigt sie in ihrer jeweiligen Verankerung der Gegenwart, welchen wahren Zweck sie in der jeweiligen Gesellschaft erfüllt.
Als in den fünfziger Jahren Franz Tumler seinen Protagonisten auf dem Weg von Berlin Richtung Gardasee in einen Unfall verwickelt, tut er dies, damit der Zwangs-Pausierende in der "Aufschreibung aus Trient" sich an die Geschichte des Landes an der Sprachgrenze herantasten kann. Dabei ist gerade das vage, in der Hitze flirrende Trugbild patriotischer Installationen das letztlich verlässliche Element.
Wenn Marie Tappeiner in den "Maroniküssen" eine Berliner Kunststudentin an einem Südtiroler Zaun zerschellen lässt, so dient diese Kunstpause der Protagonistin dazu, einen Noturlaub wie aus dem teuer gestalteten Tourismusprospekt so easy wie möglich abzuwickeln. Längst nämlich dient ein großer Teil der Gegenwartsliteratur dazu, in einem sogenannten Wellness-Package, Witze, Bonmots und Heiterkeit über jenes Land zu verstreuen, das der Leser gefälligst buchen soll.
In diesem Urlaubsroman gerät die Studentin Lena neben dem Ploner-Hof in den Zaun und verbiegt sich das Cabrio, mit dem sie einen Kunstgegenstand an den Gardasee liefern soll. Obwohl der Unfall nur als Kratzer zu empfinden ist, wird er zu einem lebensbedrohlichen Karriere-Knick aufgeblasen, worin Anmache, Erotik, dumme Berlinerin, leichtes Kunst-Girl und einheimische Dorfmatratze um den Sinn des Lebens rittern.
Sinn des Südtiroler Tourismus am Bauernhof ist es vor allem, alles zusammenzukratzen und mit putzigen Vokabeln an die Durchreisenden zu verkaufen. Allein bis die Lebensmittel in der Originalsprache als Fußnote durchgekaut sind, stellt sich schon die erste formidable Verdauungsstörung ein. Und dann ist das Leben verniedlicht wie in einem Bilderbuch für Kita-Kunden. Die Hühner kann man streicheln, bebrüten und die Küken schließlich für ein Orakel im Kreis rennen lassen. Nicht viel anders benehmen sich die Einheimischen, mit denen man nach Genuss von Traubensaft in jeglicher Form im Bett herum brüten und orakeln kann, ob das jetzt Erotik ist, was sich da im Daunenflaum abspielt.
Die Kunststudentin arbeitet weltoffen, und gespielt zickig das dreiwöchige Notprogramm am Südtiroler Bauernhof ab, die Einheimischen stellen sich gerne ein wenig dumm, wenn damit im Tourismus zu punkten ist. Längst sind alle Einheits-Europäer geworden, die Südtiroler erkennt man nur an ihren größeren Händen, wenn sie in die Fördertöpfe greifen.
Die Literatur ist still aus der Aufklärung abgewandert und unterstützt als Euro-Roman die Wirtschaft bei ihren Wellness-Programmen für Durchreisende. Diese Literatur lässt sich somit tausendfach für jeden Winkel des Kontinents gesichtslos als Papier und am Display verkaufen.
Helmuth Schönauer